Man staunt. Man wundert sich. Und irgendwann lacht man – trocken, bitter, resigniert. Das Burgenland, jenes sanft gewellte Bundesland zwischen Neusiedler See, Thermenregion und Ungarn, hat es geschafft: Es hat ein Tourismusgesetz geschaffen, das in seiner Logik so einzigartig ist, dass selbst Kafka beim Lesen Schnappatmung bekäme. “Wie das Burgenland die Tourismuswirtschaft zur Kassa bittet” – Ein kritischer Blick auf das Bgld. Tourismusgesetz 2021 – §§ 1, 2 und 23ff.
Die Rede ist vom Burgenländischen Tourismusgesetz 2021 (Bgld. TG 2021), jenem gesetzgeberischen Kunstwerk, das unter anderem in den §§ 1, 2 und ab § 23 offenbart, wie man mit elegantem Paragrafen-Ballett den Spieß so gründlich umdreht, dass sich selbst die Weltachse verwundert zu drehen beginnt.
Vom Dank zum Diktat – Das Burgenland und die Tourismuswirtschaft im Würgegriff von § 1
Gleich zu Beginn gibt sich das Gesetz ambitioniert: “Die Förderung und Entwicklung des Tourismus im Burgenland […] ist eine Aufgabe von öffentlichem Interesse.”
Aha. Schön. Wer könnte da widersprechen? Wer will schon gegen blühende Landschaften, volle Gasthäuser und roséfarbene Sonnenuntergänge am Neusiedler See sein?
Doch halt – was folgt, ist weniger blühend als vielmehr blutig. Denn statt den Tourismus zu fördern, wie man meinen könnte, werden die Unternehmen selbst zur Kasse gebeten, die ihn angeblich “verursachen”. Willkommen in der Tourismus-Verkehrten-Welt.
Was als öffentliche Aufgabe getarnt ist, entpuppt sich als perfides Finanzierungsmodell auf Kosten der Wirtschaft. Förderung? Ja. Aber nur in eine Richtung: nach oben.
Möglichkeit reicht – Das Burgenland und die Tourismuswirtschaft nach § 2: Wer existiert, zahlt
Hier klärt sich, wer betroffen ist: Jedes Unternehmen, das in irgendeiner Weise vom Tourismus “profitieren könnte”, ist beitragspflichtig. Nicht “profitiert”, nein – es reicht das “könnte”.
Also auch das Blumengeschäft, das dem Seminarhotel nebenan einmal im Jahr einen Strauß liefert. Oder die Druckerei, die Folder für einen Thermenbetrieb druckt. Oder die Website-Agentur, die für ein Sportevent im Seewinkel tätig ist.
Der Burgenländer ist pragmatisch: Wenn du in diesem Land atmest und gelegentlich Rechnungen schreibst, bist du ein potenzieller Nutznießer des Tourismus – und darfst folglich zahlen.
Im Burgenland ist selbst das könnte profitieren schon strafbar. Der Tourismus wird zur Glaubensfrage – und du bist automatisch Häretiker mit Beitragspflicht.
Abgaben statt Applaus – Das Burgenland und die Tourismuswirtschaft in den Fängen von § 23ff
Jetzt wird’s richtig poetisch: Der Tourismusbeitrag, wie er offiziell heißt, wird vom Umsatz bemessen – nicht vom Gewinn, wohlgemerkt.
Du kannst also 100.000 Euro Umsatz machen und 99.999 Euro Ausgaben haben – der Beitrag wird trotzdem voll fällig.
Noch schöner wird’s mit § 24: Es gibt natürlich Ausnahmen. Aber nicht etwa für wirtschaftlich klamme Ein-Personen-Unternehmen. Nein, ausgenommen sind jene Betriebe, die tatsächlich von Touristen profitieren, wie zum Beispiel… Moment… welche eigentlich?
Denn da kommt der eigentliche Witz: Wenn du nachweisen kannst, dass du nicht vom Tourismus profitierst, musst du zahlen.
Wenn du hingegen so sehr davon profitierst, dass du in die offizielle Tourismusstruktur eingebunden bist (z. B. als Tourismusbetrieb mit direkter Förderung), kannst du unter bestimmten Umständen ausgenommen werden.
Klingt paradox? Ist es auch. Und in gewisser Weise genial. Die öffentliche Hand wird zur Touristikerin – die Betriebe zu zahlenden Gästen. Was andernorts gefördert wird, wird hier besteuert. Wer den Tourismus stärkt, zahlt drauf – und bekommt als Dank: nichts. Nicht mal ein Schulterzucken.
Eine kleine Rechnung zum Schmunzeln
Ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 200.000 Euro zahlt – je nach Zuordnung – bis zu 0,5 % Tourismusbeitrag. Das sind 1.000 Euro. Dafür bekommt man… ja was eigentlich?
- Kein Eintrag im Burgenland-Tourismusportal.
- Keine Bewerbung in Imagekampagnen.
- Kein Anrecht auf irgendetwas außer dem guten Gefühl, einen Beitrag geleistet zu haben.
Wenn das kein modernes Mäzenatentum ist! Die Renaissance lässt grüßen.
Fazit: Die burgenländische Revolution
Während in anderen Bundesländern der Tourismus von den Betrieben lebt, lebt im Burgenland der Tourismus von den Betrieben.
Nicht, weil er sie großartig vermarktet oder ihre Standorte ins Schaufenster stellt – sondern, weil sie ihm seine Existenz mitfinanzieren.
Ein wahrlich innovatives Modell: Statt mit Leistung zu überzeugen, schafft man Gesetzestexte, die zum Zahlen verpflichten. Man kann sich fragen:
Wird das Burgenland bald auch eine Sonnenbeitragsverordnung einführen, weil der Himmel über allen leuchtet?
Vorschlag zur Erweiterung des Gesetzes:
“§ 29 – Dankbarkeitsbeitrag: Jeder, der im Burgenland lebt oder arbeitet, hat jährlich einen pauschalen Beitrag für die bloße Möglichkeit zu leisten, durch das Land spazieren zu dürfen. Die Höhe richtet sich nach dem allgemeinen Wohlwollen gegenüber burgenländischer Gesetzgebung.”
(Cristian Gemmato)
In diesem Sinne: Prost, Burgenland!
Möge der Tourismus ewig zahlen.